Die bildende Kunst und ihre Schulen in Königsberg/Pr. 1790-1945
Teil I: Die Kunst- und Gewerkschule
A Historical Overview by Erika Durban-Hofmann

Für die ostdeutsche Kunst- und Kulturgeschichte war die Gründung einer Provinzial- Kunst- und Zeichenschule in der Residenzstadt Königsberg/Pr. im Jahre 1790 äußerst wichtig, denn die Kunst hatte im Gegensatz zur Wissenschaft in dieser Stadt fast keine historische Vergangenheit.

Der Maler August Behrendsen bemerkte dazu: "Die Kunst war noch kaum in die Denk- und Lebenssphäre der Bevölkerung eingedrungen. Ein löblicher Anfang war gemacht durch die Gründung eines Kunstvereins und des Museums sowie einer damit verbundenen Gemäldegalerie von noch geringem Umfang. Nun sollte auch der Kunstausübung eine feste Stätte bereitet werden; die Kunst sollte neben der längst einheimischen Wissenschaft stehen, um den deutschen Geist in diesem entfernten Nordosten festigen zu helfen."

Für die künstlerische und kunsthandwerkliche Entwicklung in Königsberg und ganz Ostpreußen waren daher Erziehung und Wirkung einer Kunstschule von großer Bedeutung. Der letzte Leiter der Kunst- und Gewerkschule in Königsberg Oberbaurat und Oberstudiendirektor Martin Stallmann nannte sie eine "ehrwürdige Kunstschule", deren Tradition verpflichtend ist, und er schrieb: "Die Richtlinien dieses Kunst- instituts war stete die selbstlose Hingabe an die Erziehungsarbeit. Was es für die Allgemeinheit geleistet hat ist nicht zu übersehen."

Die Gründung einer Provinzial- Kunst- und Zeichenschule in Königsberg, der einzigen dieser Art in Ostpreußen, führte in der Folge bedeutende Männer in die Landeshauptstadt, die sich in hervorragender Weise um diese Schule, um Königsberg und ganz Ostpreußen verdient gemacht haben.

Ein Blick in vergangene Jahrhunderte lehrt, daß die Zünfte und das Handwerk sowie das Kunsthandwerk ausdrucksvolle Werke schufen und das kulturelle Gesicht ihrer Städte nachhaltig prägten. Ein Beispiel von künstlerisch-handwerklich hohem Rang für die Zeit des Mittelalters ist der in Holz geschnitzte Altar von Tilman Riemenschneider.

In den folgenden Zeiten waren es vor allem Fürsten, die durch Baukunst, Malerei und Plastik sowie durch die Schaffung von Manufakturen, als Beispiel sei das kunsthandwerklich gestaltete Porzellan genannt, zu Ruhm und Ansehen gelangten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts ging die Ära einer Formenwelt zu Ende, die im Barock und Rokoko ihren glanzvollen Höhepunkt erreicht hatte.

Die politischen Kräfte zerfielen als sich die liberalistischen Ideen der französischen Revolution verbreiteten. Die tieferen Gründe eines einsetzenden Verfalls lagen in der Abkehr vom strengeren geprägten Lebensstil vergangener Jahrhunderte. Dies wurde im allgemeinen nicht klar erkannt. Doch gab es Männer, die einsetzende Verfallserscheinungen beklagten und Stätten schufen, in denen sich zukünftig Kunst und Kunsthandwerk wieder zu neuer Blüte entwickeln sollten.

In Berlin war 1696 die "Preußische Akademie der Künste" gegründet worden; im vom preußischen König Friedrich Wilhelm II. 1790 erlassenen Reglement hieß es u.a. "... daß es insbesondere den vaterländischen Gewerbefleiß erwecke, befördere und durch Einfluß auf Manufakturen und Gewerbe dergestalt veredle, daß einheimische Künstler in geschmackvollen Arbeiten jeder Art den auswärtigen nicht ferner nachstehe, auf der anderen Seite aber diese Akademie als eine hohe Schule für die bildenden Künstler sich in sich selber immer mehr vervollkommne ...".

Zuvor war es Daniel Chodowiecki, der sich - unzufrieden mit dem Zustand der Berliner Akademie - 1786-88 verdienstvoll für eine Reform dieser Akademie einsetzte, die damals Bernhard Rode als Direktor leitete. Diese Reform bedeutete zugleich die Gründung von Schulen auch im kunstgewerblichen Bereich in den preußischen Provinzen. Überall dort sollte es Kunstschulen geben wo sich Manufakturen und Fabriken befanden, die Bedarf an kunsthandwerklich ausgebildetem und geschicktem Nachwuchs hatten.

In Königsberg/Pr. war in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts der als Dichter, Schriftsteller und Freund Immanuel Kants bekannte Theodor von Hippel Stadtpräsident. Er erkannte die Notwendigkeit einer Provinzial- Kunst- und Zeichenschule für Königsberg, und der Minister Anton von Heinitz, der Schöpfer des gewerblichen Schulwesens, erhielt von Theodor von Hippel die Anregung zur Schaffung einer Ausbildungsstätte für den Nachwuchs vor allem in handwerklichen Berufen in der Landeshauptstadt Ostpreußens.

Der erste Leiter dieser im Jahre 1790 gegründeten Provinzial- Kunst- und Zeichenschule in Königsberg, der ersten in Preußen, war Johann Matthias Janson, der 1751 in Potsdam geboren wurde und 1794 in Königsberg starb. Janson war Schüler des Potsdamer Malers und Radierers Andreas Ludwig Krüger. Seine weitere Ausbildung erfolgte 1770 in Wien, 1771 in Rom und 1773 in Paris. 1781 war er Dekorationsmaler am Döbbelinschen Theater, dem späteren Königlichen National- Theater. 1790 wurde Janson vom Ministerium nach Königsberg berufen, um eine Kunst- und Zeichenschule einzurichten, deren Direktor er bis zu seinem Tode war.

Im September 1790 erschien folgende Anzeige im "Königsberber Intelligenz-Zettel zum Nutzen und Besten des Publici": "... da nun eine Königliche Akademie der bildenden Künste und mechanischen Wissenschaften mich dazu ausersehen und bestellet hat ... eine akademische Kunst- und Zeichenschule für die Residenzstadt Königsberg zu errichten, so unterlasse ich nicht, die Eröffnung dieses Instituts nach folgender Maßgabe hiermit zu jedermanns Wissenschaft zu bringen ...". Es folgte die zeitliche Einteilung der Unterrichtsstunden für Anfänger, Handwerker, Professionisten und Dilletanten. Die erste "akademische Kunst- und Zeichenschule" der Residenzstadt Königsberg verstand sich als Tochteranstalt der Berliner Kunstakademie und blieb mit ihr in ständiger Verbindung. Auf dem Unterrichtsplan standen u.a. die Anfangsgründe der Geometrie, Architektur, Perspektive, freies Handzeichnen in Ornamenten, Figuren- und Landschaftszeichnen. Die Räume dieser Schule befanden sich im Hause von Dr. Karl Gottfried Hagen auf dem Tragheim in der vorderen Fließgasse. Dr. Hagen war Professor für Physik, Chemie und Mineralogie an der Albertus-Universität und der Schöpfer des Botanischen Gartens in Königsberg. Sein Sohn Professor Dr. August Hagen wechselte seinen Lehrstuhl für Philologie an der Königsberger Albertina und übernahm den neu geschaffenen Lehrstuhl für Kunstgeschichte als den ersten dieser Fakultät an einer Universität in Deutschland. Außerdem war er der Mitbegründer der Universitäts - Kupferstichsammlung.

Mit 39 Jahren wurde Johann Matthias Janson, der sich hervorragend als Leiter und Lehrer der neuen Kunstschule bewährte, zum Professor ernannt. Seine besondere Vorliebe galt dem Theater. Er schuf für das Königsberger Schauspielhaus Dekorationen zu Mozarts 'Zauberflöte' und einen vielgerühmten Theatervorhang.

Bald versammelte sich ein großer Schülerkreis in den Räumen der Kunstschule. Den alten Akten, in denen Jansons Verhandlungen mit der Stadt Königsberg aufgezeichnet waren, konnte man die Regelung entnehmen, daß kein Handwerksbursche ohne ein Attest der Schule freigesprochen werden sollte.

Die Unterrichtsräume im Hause Professor Hagens erwiesen sich bald als unzureichend und wurden mit Räumen im "Kleinen Jägerhof" dem Königshause auf der Neuen Sorge, der späteren Königstraße, getauscht, in denen auch Professor Janson's Wohnung erhielt. Aus den Akten war weiter zu entnehmen, daß sich ein langer Papierkrieg mit unwilligen Dienststellen wegen des Heizmaterials - damals Torf - für die Unterrichtsräume ergab, bis der zuständige Minister für Beendigung der Misere sorgte.

Professor Janson starb viel zu früh im Jahre 1794. Sein Nachfolger Christian Darchow, ein Kupferstecher aus Berlin, erwies sich als ungeignet den Unterricht fruchtbar zu gestalten. Er wurde sehr bald pensioniert. Es erwies sich eine Neuordnung der Schule als notwendig.

Zur Zeit der Reformgesetzgebung des Freiherrn von Stein erfuhren auch die bereits bestehenden und neu zu errichtenden Kunst- und Handwerkschulen neue "Grundsätze der Organisation", die durch die Minister von Heinitz und Freiherr von Schrötter dem König zu seiner Zustimmung vorgelegt wurden. Die Königsberger Schule erhielt zusätzlich eine Abteilung für das Bauhandwerk mit Unterrichtsfächern in Mathematik, Modellieren und speziellem Architekturzeichnen. Dies machte die Anstellung weiterer Lehrkräfte erforderlich. Für fast ein Jahrhundert übernahmen Vater und Sohn Knorre die Leitung der Schule sowie den künstlerischen Unterricht, während der Universitätsprofessor Dr. Hoffmann mathematische und Architekturfächer lehrte. Im praktischen Bereich wirkten an der Schule Straßburger und Tischlermeister Böhm.

Johann Friedrich Andreas Knorre wurde 1763 in Berlin geboren und leitete die Kunst- und Zeichenschule in Königsberg von 1800 - 1841. Seine Ausbildung erhielt er in der Berliner Kunstakademie. Man sprach von ihm als von einer bemerkenswerten Persönlichkeit, die von großem Einfluß auf seine Schüler war. Als bekannter und geschätzter Porträtmaler schuf Professor Knorre Bildnisse Königsberger Persönlichkeiten aus der Zeit der Befreiungskriege, z.B. Porträts von Eduard Ferdinand von Schrötter, Jakob von Auerswald und zwei Porträts des Erzbischofs von Borowski, die sich in der Neuroßgärter Kirche und im Königsberger Schloß befanden. Die Stadt Königsberg besaß außerdem bis zum 2. Weltkrieg drei weitere Gemälde von Professor Knorre, eine "Allegorie auf die Königin Luise im Tempel der Minerva", "Maria mit dem Christuskind und Josef" sowie das "Familienbild von Stadtrat Höpfner". Der Künstler beteiligte sich oft an Ausstellungen der Berliner Kunstakademie. Professor Knorre starb 1841 in Königsberg/Pr.

Sein Sohn Julius Knorre wurde 1804 in Königsberg geboren. Eine gründliche Ausbildung erhielt er von seinem Vater an der Königsberger "Provinzial- Kunst- und Zeichenschule", wie sie sich zu damaliger Zeit nannte. Es folgte eine lange Studienzeit von 1826 - 1839 an den Akademien in Berlin und Düsseldorf. Danach wurde er ein wichtiger Mitarbeiter seines Vaters und betätigte sich speziell auf den Gebieten der Genre- und Historienmalerei. Nach dem Tode des Vaters wurde Julius Knorre als sein Nachfolger an die Königsberger Kunstschule berufen. An seiner Malerei rühmte u.a. die "Hartungsche Zeitung" Technik, Harmonie und Klarheit. Bis auf sein Gemälde "Szene am Springbrunnen des Altstädtischen Marktes in Königsberg", das sich vor dem zweiten Weltkrieg im Besitz der Staatlichen Schlösser und Gärten in Berlin befand, ist wenig von dem Künstler bekannt. Der letzte Direktor der Königsberger Kunstsammlungen, Alfred Rohde, schrieb über ihn, daß sein langes Leben, das achtzigjährig endete, eigenartig geheimnisvoll und verschlossen dahingegangen sei. Julius Knorre starb 1884 in Königsberg/Pr.

Im Zuge der Neuordnung von 1800 hatte die Stadtverwaltung unter dem Vorsitz des jeweiligen Direktors der Kriegs- und Domänenkammer einen Schulsenat gebildet. Ihm gehörten als Mitglieder der Stadtpräsident als Oberbürgermeister von Königsberg und einige am künstlerischen Leben dieser Stadt Interessierte an. In alten Akten berichtete der Kirchen- und Schulrat Busold über die Arbeit der namentlich genannten Mitglieder des Senats, des Kammerdirektors von Budderbrok, des Stadtpräsidenten Gervais, der Kriegs- und Domänenräte Scheffner und Deutsch des Provinzial- Baudirektors Müller und des Philosophen Kraus. Die Mitglieder des Senats nahmen Berichte der Lehrer über den Unterricht entgegen, für Ausstellungen der Berliner Akademie wurden Arbeiten der Königsberger Kunstschüler auf ihre Eignung hin überprüft und eingereichte kunsthandwerkliche Entwürfe für die Verleihung des Meisterrechts beurteilt. Erstmalig fand im Jahre 1802 unter der Schirmherrschaft des Senats eine Ausstellung mit Werken Königsberger und Berliner Künstler im Moskowitersaal des Königsberger Schlosses statt. Über die Einnahmen und Ausgaben dieser Ausstellung berichtete der Leiter der Kunstschule Professor Knorre mit dem Ergebnis, daß ein Überschuß als Mittel für die Kunst- und Zeichenschule verwendet werden konnte.

Die Zusammensetzung des Senats änderte sich durch Tod oder Versetzung der Mitglieder. Immer traten die angesehensten Männer Königsbergs an ihre Stelle wie der tatkräftige Landhofmeister und Oberpräzident von Auerswald, der kunstliebende Justizrat Höpfner, der Kunsthistoriker Professor Dr. August Hagen und der beliebte Ministerialdirektor Nicolowius. Geschäftsführer blieb über lange Zeit der angesehene Kirchen- und Schulrat Wilhelm Busold.

Als die Gelder während der Zeit nach 1806, den Jahren der Not und des Unglücks Preußens, nicht mehr gezahlt werden konnten, verzichteten Lehrer der Kunstschule zum Teil auf ihre Gehälter und übernahmen Mitglieder des Senats mitlehrend den Unterricht bis nach 1810 das Kunstschulleben wieder in geordneten Bahnen weiterlief.

Nach den Befreiungskriegen folgten Jahrzehnte, in denen sich die Geschichte der Kunst und Ihrer Institute wandelten. Vor allem durch die Kunstvereine erfuhren die freie Malerei und Bildhauerei eine Höherbewertung, mehr Anerkennung und Zuwendung im Gegensatz zu den handwerklichen Künsten, die zunehmend das allgemeine Interesse verloren. Trotz dieses Niedergangs stellten sich leitende Männer der drohenden Verfallsentwicklung entgegen. Zu dieser Zeit bemühte sich in Königsburg der Oberpräsident Freiherr Theodor von Schön um eine neue Unterbringung der Provinzial- Kunst- und Zeichenschule. Auf der Neuen Sorge, der späteren Königstraße wurde ein Haus gebaut, das zusammen mit dem Stadtmuseum die Kunstschule aufnehmen sollte. 1843 wurde der Neubau bezugsfertig. Es war der in der Königstraße etwas zurückgesetzte schöne klassizistische Bau mit den beiden kleineren Seitengebäuden, die jeder Königsberger kannte und die hundert Jahre später im August 1944 durch Phosphor-, Spreng- und Brandbomben total zerstört wurden. Die oberste Front des Haupthäuser trug unter dem Flachdach in goldenen Lettern die Inschrift:

ARTIUM OPERIBUS CONDENDIS - ARTIFICIBUS CONSTITUENDIS

Als der Neubau bezogen werden sollte starb der langjährige Direktor der Provinzial- Kunst- und Zeichenschule Professor Andreas Knorre, und sein Sohn Julius Knorre übernahm die Leitung der Schule; aber der einsetzende Tiefstand der Kunsthandwerkschulen bewirkte eine gewisse Resignation. Ein weitere Umstand löste große Enttäuschung aus; der Kunstschule wurde nur das mittlere Geschoß des neuen Hauses zugewiesen. Das Erdgeschoß bezog die 1821 gegründete Gewerbeschule und das Obergeschoß blieb dem Stadtmuseum vorbehalten. Doch dabei blieb es nicht. Die Kunstschule mußte nach einiger Zeit das Gebäude ganz räumen. In Berlin hatte man beschlossen, das Handwerk und Kunsthandwerk nicht mehr bevorzugt zu fördern, und in Königsberg stellte der Oberpräsident Freiherr von Schön den Neubau der 1841 gegründeten "Höheren Malschule" der zukünftigen Kunstakademie zur Verfügung. Ihren sofortigen Einzug verzögerten nur die Verhandlungen um den Direktorposten, die sich bis 1845 hinzogen. Die Benachteiligung der Kunsthandwerkschulen resultierte aus der Unterscheidung zwischen "handwerklicher" und "absoluter" Kunst.

Die kunsthandwerkliche Ausbildungsstätte führte zukünftig ein Schattendasein zwischen der Gewerbeschule und der Kunstakademie in zugewiesenen Räumen im Schloß, die völlig unzureichend waren. Dieser Zustand veranlaßte den Kunsthistoriker Professor Dr. Hagen zu folgender Feststellung: "Die Selbständigkeit der Provinzial- Kunstschule drohen zwei andere Institute zu beeinträchtigen, erstens die hier seit einigen Jahren errichtete 'Höhere Malschule', sodann die nach dem vorigen Jahre veränderten Ansichten und die 'Königliche Provinzial- Gewerbeschule'. Beide aber werden, wenn die Vereinigung beliebt werden sollte, die Kunstschule zur dienenden Magd erniedrigen, von den ihr zustehenden Fonds allerdings Nutzen ziehen, ihren bisherigen Zweck aber in keiner Weise fördern. Nicht die Kunst als solche ist es, welche die Kunstschule pflegend zu lehren hat, sondern nur der dem Gewerbe passende Teil derselben. Der plastische, ins Leben getretene Erguß derselben, wie er sich in den Erzeugnissen des Gewerbefleißes kundgibt, ist ihre Aufgabe. Das Architektonische, die Ornamentik sind Gegenstand der Übungen in der Kunstschule ... Selbständigkeit der Anstalt ist wünschenswert."

Die künstlerische Leitung der Kunsthandwerkschule behielt Julius Knorre, und bis 1884 bestand diese Anstalt noch mit zwei Freihand- und zwei Linearzeichenklassen. Sie sollte auch noch um eine dreisemestrige Bauschule erweitert werden. Aber der Schule fehlte die Staatliche und städtische finanzielle Unterstützung. Der gesamte unterricht wurde 1885 eingestellt und die Schule geschlossen. Dieses nahezu hundertjährige Institut schien am ende zu sein. Seit seiner Gründung blieb es als Tochteranstalt der Berliner Kunstakademie mit dieser in ständigem Kontakt. 1883 brach die Verbindung ab, und das Kultusministerium übertrug ihre Zuständigkeit auf die Gewerbeschulen.

Dennoch gab es trotz der allgemein gewandelten Haltung der Provinzial Kunst- und Handwerkschulen gegenüber Bestrebungen, diese Institute in der bisherigen Form zu erhalten. Eine neue Schulbehörde nahm sich ihrer an und unterstützte tatkräftig ihr weiteres bestehen.

Zunächst wurden zwei neue Lehrer nach Königsberg gesandt - die Mahler Feist und Woite. Professor Feist erzählte später humorvoll, daß der bisherige Verwaltungsdirektor der aufgelösten Schule die beiden damals jungen Maler gar nicht empfing und zu Anfang niemand wußte, in welchen Räumen sich die Schule zuletzt befand. Schließlich zeigte man den beiden Malern leerstehende Räume in der Altroßgärter Predigerstraße. In Nebenräumen stapelten sich große Haufen zusammengeworfener Bücher und Hefte sowie einige Tische und Stühle. Man ließ sich aber nicht entmutigen und ging tatkräftig daran, die Einrichtung wieder nutzbar zu machen.

Nach Bekanntgabe der Schuleröffnung waren die Klassen bald wieder voll besetzt. Es wurde eine Aufwärtsentwicklung spürbar, die auch mit geringen Schwankungen anhielt. Es stellte sich erneut die Frage einer ausreichenden Unterbringung der "Kunstgewerbeschule" wie sie sich jetzt nannte. Um einen Ausweg für die bestehenden Raumnöte zu finden, wurde der Plan einer neu zu errichtender, Bauschule in, Königsberg geprüft. Der Staat sowie die Stadt stellten die Geldmittel für den Bau eines Schulgebäudes zur Verfügung und übernahmen auch die Besoldung der Lehrer. Ein einziger verwaltungsmäßiger neuer Posten des Direktors ergab sich durch die räumliche Verbindung und Zusammenlegung beider Schulen. Endlich konnte man an den Aufbau des Unterrichts gehen. Es gab Tagesklassen für Maler, Tischler, Schlosser, Bildhauer, eine Vorklasse für den allgemeinen Zeichenunterricht und Abendkurse für alle Berufe, die eines künstlerischen Zeichenunterrichts bedurften.

Als die Besucherzahl beider Schulen im Neubau in der Schönstraße 2 weiter zunahm, erwiesen sich die Räumlichkeiten für beide Institute zusammen erneut als nicht ausreichend. Glücklicherweise hatte inzwischen die Kunstakademie 1915 in Ratslinden/Königsberg ihren eigenen Neubau erhalten. Das klassizistische Haus in der Königstraße, das ursprünglich für die Provinzial- Kunst- und Zeichenschule gebaut worden war, wurde endlich frei und konnte nach einigen Umbauänderungen diese Schule allein und endgültig aufnehmen. Zugleich erfolgte auch die Trennung der Leitung beider Schulen. Im Jahr 1915 hatte das als Provinzial- Kunst- und Zeichenschule gegründete Institut seine Selbständigkeit wieder erlangt und bekam einen eigenen Direktor.

Am 1. Oktober 1915 erhielt Edmund May durch Kaiser Wilhelm II seine Berufung als Direktor an die "Königliche Kunstgewerbeschule" in Königsberg/Pr. Edmund May wurde 1876 in Berlin geboren. In seiner Vaterstadt studierte er bis 1900 und in München bis 1905 Architektur. Er wurde Regierungsbaumeister und Leiter des Ateliers von Professor Alfred Messel, der durch Bauten moderner Arbeiterwohnhäuser und Kaufhäuser - z.B. Wertheim in Berlin - bekannt geworden war. 1909 eröffnete Edmund May ein eigenes Atelier für Architektur in Berlin. Er baute, teilweise vom Kaiser beauftragt, Krankenhäuser, Hauswirtschaftsschulen, das "Kaiserin Auguste Viktoria - Haus" in Ehringhausen, Kr. Wetzlar und das Haushalts-Seminar "Der Luisenhof" in Bärwalde.

In Königsberg errichtete er zunächst im Garten der Kunstgewerbeschule das Direktorenhaus und gestaltete das Schulgebäude um. Während des ersten Weltkrieges wurde Edmund May für die würdige Gestaltung der Kriegerfriedhöfe in Ostpreußen ausgezeichnet. Dieser Aufgabe hatte er sich ehrenamtlich gewidmet. Ein besonders vielbeachteter Bau war die von May errichtete Evangelische Kirche in Metgethen, die im zweiten Weltkrieg zerstört wurde. 1934 wurde Edmund May in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, lebte in Stuttgart und München und war schriftstellerisch tätig.

Seit 1919 waren die Lehrfächer der Kunstgewerbeschule vielfältig. So gab es z.B. in der Klasse für Textilkunst Unterricht für ornamentales und figürliches Gestalten, Entwerfen und praktisches Ausführen, Stilkunde, Kunstschrift aller Art, darstellende Geometrie, Kunstgeschichte, Textil- und Warenkunde, Naturlehre, Staatsbürgerkunde und zeichnerische Naturstudien.

Die letzten 50 Jahre waren die beste Zeit der Kunstschule, während der insbesondere einige ihrer Lehrer zum Ruhme dieses Instituts, der Stadt Königsberg und der Provinz Ostpreußen gewirkt und ihren Schülern beachtliches Wissen und Können vermittelt hatten.

Im Jahre 1919 erfolgte die Berufung Hermann Bracherts als Professor an die Kunstgewerbeschule in Königsberg/Pr. Er übernahm die Leitung der Klasse für Bildhauerei und Goldschmiedekunst bis 1926. Professor Brachert war nicht nur ein hervorragender Pädagoge sondern schuf auch eine Reihe bildhauerischer Werke für Königsberg und ganz Ostpreußen. Seine Plastiken in Stein, Bronze und Eisen prägten das Stadtbild Königsbergs. Er schuf sie für die Universität, die Mädchengewerbeschule, den Hauptbahnhof und für den Flughafen in Devau. Seine Verfolgung aus politischen Gründen verhinderte eine Berufung an die Kunstakademie in Königsberg. Nach einigen Jahren wurde er jedoch Mitarbeiter der Bernsteinmanufaktur. 1945 übertrug ihm Theodor Heuß den Wiederaufbau und die Leitung der Staatlichen Akademie der Künste in Stuttgart. Seine letzte Arbeit nannte er "Erinnerung an Ostpreußen". Zu Ehren von Lovis Corinth hatte er diese Plastik schon einmal als "Genius der Kunst" in Ostpreußen geschaffen. Nun schuf er sie - mehrmals variiert - erneut als Frauengestalt mit rückwärts wehendem Gewand und widmete sie Ostpreußen, das er als "weite Heimat" empfunden hatte. Professor Hermann Brachert starb 1972 im Kreis Nürtingen.

Ein echter Ostpreußer war Otto Ewel, der als Lehrer an der Kunstgewerbeschule in Königsberg von 1917 - 1933 wirkte. 1871 in Trutenau bei Königsberg geboren studierte er zunächst in der Zeichenklasse der Königsberger Kunstakademie und absolvierte eine fotographische Ausbildung in Elbing. 1897 folgte nach Jahren fotographischer Arbeit in verschiedenen Städten eine Studienreise nach Italien. 1901 setzte er sein Studium an der Königsberger Kunstakademie wieder fort. Seine Lehrer waren u.a. die Professoren Ludwig Dettmann und Heinrich Wolff. Während seines anschließenden Studiums in Dresden wurde ein von ihm entworfener Bildteppich mit der "Goldenen Medaille Dresden" ausgezeichnet.

1908 kehrte er nach Königsberg zurück und eröffnete auch Befürwortung des Oberbürgermeisters Dr. Körte und unter Mithilfe der Staat die "Königsberger Lehrwerkstätte Otto Ewel". Während schöpferisch fruchtbarer Schaffensjahre gestaltete er die Ausstellungshalle im Tiergarten und übernahm die au Ausmalung der Kuppel des Krematoriums in Königsberg. Es entstanden dort die sogenannten "Totentanzfresken". 1917 aus dem Kriegsdienst zurückgerufen übernahm er den Lehrauftrag an der Kunstgewerbeschule in Königsberg. Obwohl er seine Hauptaufgabe in der Glas- und Wandmalerei sah, schuf er außerdem bedeutende Porträts und etwa 40 Aquarelle von Räumen ostpreußischer Adelsitze, von Kirchenräumen und der Wallenrodt'schen Bibliothek. Zu seinen monumentalen Arbeiten gehörten die Glasmalereien für die Fortbildungsschule, Wandbilder in der Aula des Löbenichtschen Realgymnasiums und im Hufenlyzeum sowie die Ausmalung verschiedener Kirchen. Die Ausschmückung der Evangelischen Kirche in Frauenburg war in Ostpreußen seine letzte Arbeit. Die Erschütterung über das Grauen des ersten Weltkrieges spiegelte sich in seinem Zyklus von Federzeichnungen zu diesem Thema wieder. Professor Otto Ewel starb 1954 in Pillnitz bei Dresden.

Professor Franz Andreas Threyne wurde 1888 in Köln geboren und starb 1965 in Freiburg i. Br. Nach seinem Studium in Köln, München und Königsberg wurde er 1920 als Lehrer an die Kunstgewerbeschule in Königsberg berufen. Neben seiner Lehrtätigkeit als Bildhauer entwickelte er vor allem als Keramiker eine rege künstlerische Tätigkeit. Im linken Seitengebäude der Kunstschule stand in seinem Atelier ein Brennofen, der ihm die Möglichkeit der Mitarbeit in den Majolika- und Klinkerwerken in Cadinen eröffnete.

Viele öffentliche Gebäude und Kirchen in Königsberg wie die Sackheimer-, Altstädter- und Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, die Universitätskliniken, das Kneiphöfsche Stadtgymnasium sowie die Nordbahnhofgaststätte besaßen keramische Arbeiten Threynes als künstlerischen Schmuck. Sein umfangreiches Lebenswerk umfaßte auch Entwürfe zu Monumentalplastiken wie die Standbilder von Herzog Albrecht in den Jahren 1928/30, Bischof Georg von Polenz, Johann Poliander und Johann Amandus am Altstädtschen Pfarrhaus und in der Poststraße. 1936/37 entstanden zwei in Kupfer getriebene Großplastiken und eine Sandsteinplastik in Bartenstein, 1936/38 die Skulptur "Aussaat und Ernte", 1940/43 eine überlebensgroße Kriegergestalt in Bronze und einen Rosseführer für die Stadt Preußisch-Holland. In seiner Materialwahl vielseitig schuf Professor Threyne außerdem Büsten, Porträts, Bronzetafeln und Reliefs in Keramik, Bronze, Kupfer, Kalkstein und Stein. Den Königsbergern war vor allem seine feuervergoldete Bronzebüste des Komponisten Otto Nicolai im Königsberger Opernhaus bekannt.

Die Besonderheit des künstlerischen Lebenswerkes von Professor Threyne waren seine keramischen Arbeiten als Terrakotta- und Majolika- Plastiken, von denen auch etwa 70 cm hohe Keramikfiguren als Musiker und Tänzer auf Konsolen im Verkaufsraum der Konditorei Schwermer standen.

Als Bildhauer folgte auch Erich Schmidt-Kestner, schon fünfzigjährig, einem Ruf als Lehrer nach Königsberg. 1877 in Berlin geboren studierte er nach dem Abitur am Domgymnasium an den Kunstakademieen in Berlin und Düsseldorf. Als erfolgreicher junger Bildhauer wurde er mit dem "Rom-Preis" und 1905 in München mit einer goldenen Medaille ausgezeichnet. Nach zwei Arbeitsjahren in Rom erfolgte 1927 seine Berufung an die Kunstgewerbeschule in Königsberg. In den folgenden Jahren schuf er neben seiner Lehrtätigkeit in dieser Stadt Porträtbüsten von Hermann Helmholtz, Ernst Wiechert, Hermann Sudermann und anderen bekannten Persönlichkeiten. Von seiner Hand stammten auch die Reliefs am Königsberger Hauptbahnhof und im Schauspielhaus ein Relief, das Richard Wagner und sein Werk zum Thema hatte. 1935 verließ Professor Schmidt-Kestner Königsberg und setzte seine Lehrtätigkeit an der Kunstgewerbeschule in Kassel fort. Hier blieb sein dort geschaffenes Werk erhalten, und in Kassel endete 1941 sein Leben.

Mit der Berufung des Oberbaurats und Oberstudiendirektors Martin Stallmann als würdigen Nachfolger des verdienten Leiters der Kunstgewerbeschule Edmund May begann 1934 das letzte Jahrzehnt des Bestehens dieses Instituts in Königsberg.

Martin Stallmann wurde 1889 in Allendorf/Hessen geboren. An der Technischen Hochschule in Darmstadt schloß er sein Studium mit dem Diplom-Examen als Architekt ab. Schon als Student hatte Martin Stallmann, von 1909-1911 bedeutende Aufgaben übernommen. Als Bauführer wirkte er unter der Leitung des Erforschers der Ordensbaukunst Geheimrat Steinbrecht beim Wiederaufbau der Marienburg und an der Wiederherstellung des Giebels des Königsberger Schlosses mit. Nun führte ihn seine ausgeprägte Liebe zu Ostpreußen nach dem Examen als Lehrer an die Staatsbauschule in Königsberg. Bald darauf erfolgte seine Berufung als Oberbaurat in die Stadtverwaltung. Allen Königsbergern bekannt waren seine 1928/29 geschaffenen Bauten des Nordbahnhofs, des sogenannten Seebäderbahnhofs und der Schloßteichkaskaden, die das Wasser des Oberteiches zum tiefer gelegenen Schloßteich in wundervoller Anlage stufenförmig herableitete. In Ponarth schuf er 1931 das große Straßenbahndepot mit einer Siedlung von 2000 Wohnungen.

Das Jahr 1933 brachte auch für die Kunstgewerbeschule einen Umbruch. Sie erhielt Ansporn und Auftrieb durch die neuerdings wieder höhere Bewertung des Handwerks, dessen Förderung zur Meisterschaft auch im künstlerischen Sinne allerdings von jeher ein Anliegen dieser Schule gewesen war. Die Namensänderung der Kunstgewerbeschule in "Meisterschule des deutschen Handwerks" sollte der besonderen Verbundenheit mit dem Handwerk Ausdruck verleihen. Seit ihrer Gründungszeit blieb sie aber bis zuletzt auch in allen künstlerischen Bereichen immer eine Kunst- und Zeichenschule, wenn sich auch die verschiedenen Anschauungen und zeitbedingten Strömungen mitunter störend ausgewirkt hatten. Die Verbindung vor Handwerk, Kunst und gestalterischem Wirken fand zu mancher Zeit nur wenig Verständnis.

Unter der Leitung des Oberstudiendirektors Martin Stallmann gab es an der Meisterschule sechs Fachabteilungen, eine für Maler, für Tischler, für Mode und Textil, für Druckgewerbe und Gebrauchsgraphik, eine Bildhauerklasse und eine Klasse für Goldschmiede- und Bernsteinkunst. Die Lehrfächer der einzelnen Fachabteilungen waren vielfältig. So standen auf der Unterrichtsplan für Druckgewerbe und Gebrauchsgraphik Werkstoffkunde, Buchdruck, Steindruck (Lithographie), Chemiegraphie, Fotographie, Buchbinden, Schrift, darstellendes Zeichnen, Naturzeichnen, figürliches Zeichnen, Farbenlehre, Gebrauchsgraphik, Rede- und Schriftübungen, Kunstgeschichte, Rechts- und Gesetzeskunde. Für letzteres Fach hatte die Schule zeitweise einen eigenen Juristen. Oberstudiendirektor Martin Stallmann übernahm selbst den Unterricht in Kunstgeschichte, technischem Zeichnen und in Rede- und Schriftübungen. In den Lehrplan der Schule waren regelmäßig Akt- und Bewegungsstudien für alle Schüler eingefügt. Studienmäßige Zeichenstunden führten die Studierenden an viele interessante Plätze der Stadt Königsberg und zu Tierstudien regelmäßig in den Königsberger Zoo.

Die Klassenarbeiten der Abteilung für Druckgewerbe und Gebrauchsgraphik reichten vom Plakatentwurf über Buchtitel, Prospekt- und Etikettentwürfen, Vorsatz- und Stoffmusterentwürfen. Arbeiten in allen Schriftarten für Urkunden und Chroniken, Fotoarbeiten für alle Arten der Werbung bis zu zeichnerischer und malerischer Kunst in der Darstellung aller Bereiche des Lebensumfeldes.

In der Abteilung für Tischler entstanden u.a. Intarsienarbeiten nach eigenen Entwürfen in künstlerischer Form von aufwendig gestalteten Blumenarrengements und anderen Motiven aus farbigen Hölzern für selbstentworfene Möbelstücke sowie Drechselarbeiten nach eigens dafür entworfenen Ornamenten.

Schüler des Malerhandwerks schufen u.a. Schleiflackarbeiten in aufwendiger Technik teils in Goldunterlegung als Wandschmuck oder für die Einarbeitung in Möbelstücken.

In der Klaase für Mode und Textil wurde vor allem Damenbekleidung aller Art kreiert und in der Schneidereiabteilung auch ausgeführt. Hierfür spielte der zeichnerische Modeentwurf eine wichtige Rolle und verlangte formales Können.

Unter der Leitung des Oberstudiendirektors Martin Stallmann wurde eine Klasse für Edelmetall- und Bernsteinarbeiten eingerichtet und eröffnete besonders der Bernsteinbearbeitung die Möglichkeit, einmalige handwerkliche Kunsterzeugnisse zum Ruhme der Königsberger Schule und der ostpreußischen Heimat zu schaffen.

Die nun endgültig letzte Schülergeneration der Meisterschule schätzte und verehrte ihren Oberstudiendirektor als einen in der Gesinnung vornehmen und warmherzigen Mann sowie eine der Humanitas verpflichtete Persönlichkeit. Die Verbindung zwischen den ehemaligen Schülern der Kunstgewerkschule in Königsberg, wie sie nach 1945 in der Erinnerung genannt wurde, und ihrem letzten Direktor, dem bedeutenden Architekten Martin Stallmann, blieb bis zu seinem Tode bestehen. Anläßlich seines 90. Geburtstages lud er die einstigen Schüler zu einer festlichen Kaffeestunde in sein Haus in Bad Nauheim ein. Es wurde für alle, die dieser Einladung folgten, ein unvergeßliches Erlebnis.

Einer der letzten Lehrer der Meisterschule des deutschen Handwerks war der Leiter der Klasse für Druckgewerbe und Gebrauchsgraphik Professor Ernst Grün. 1890 auf Schloß Tarvast in Livland geboren begann er nach dem Besuch des Gymnasiums in Dorpat das Kunststudium. Bei Ausbruch des 1. Weltkrieges wurde er in den Kaukasus deportiert und dort bis Kriegsende interniert. 1919 setzte er sein Studium an der Kunstakademie in Königsberg bei Professor Heinrich Wolff fort, durch den er 1922 eine Assistentenstelle erhielt. 1923 wurde er als Lehrer an die Kunstgewerbeschule in Königsberg berufen. Er übernahm die Leitung der Klasse für graphische Kunst und Werbung und erteilte allen Schülern der verschiedenen Abteilungen Zeichenunterricht. 1930 erhielt er den Professorentitel. Aus politischen Gründen wurde er 1933 aus den Schuldienst entlassen und widmete sich zunächst freiberuflicher Tätigkeit als Graphiker. Professor Ernst Grün wurde bald als Mitarbeiter der deutschen Ostmesse und des Landesfremden- Verkehrsverbandes sowie durch seine graphischen und fotographischen Arbeiten weit über Ostpreußens Grenzen hinaus bekannt. In Königsberg erhielt er zahlreiche öffentliche Aufträge. Sein vielseitiges Wissen und Können machten schließlich die Wiedereinstellung in das Lehramt der Kunstschule unumgänglich. Er unterrichtete die Schüler der Klasse für Druckgewerbe und Gebrauchsgraphik in Schrift, Plakatgestaltung, Zeichnen, Illustration, Fotographie und Fotomontage, die für das Gebiet der Werbung immer wichtiger wurden. Der Schwerpunkt seines künstlerischen Schaffens lag in seinen hervorragenden Radierungen und Zeichnungen Königsberger Stadt- und Gebäudemotiven sowie in seinen werbegraphischen und fotographischen Arbeiten. Mit der Staat Königsberg blieb er immer aufs engste und von Herzen verbunden.

Unter der sowjetischen Besatzung der Stadt entging er wie in seiner Jugendzeit nicht dem Schicksal der Verschleppung bis in den Ural. Nach seiner Entlassung aus sowjetischer Gefangenschaft ließ er sich noch einem Aufenthalt in Sachsen in Oldenburg nieder wo er künstlerisch für das Kultur- und Presseamt der Stadt Oldenburg, die Regierung Niedersachsens und für den Stalling-Verlag tätig war. In dieser letzten Stadt seines Wirkens starb er am 1.12.1965.

Der Schulbetrieb des Kunstschulinstituts vollzog sich besonders während der letzten 50 Jahre nicht getrennt vom kulturellen Leben der Stadt Königsberg. Es wurden Ausstellungen arrangiert und Feste mit künstlerischen Darbietungen auch für die Freunde der Schule inszeniert. Eine Fülle von Veranstaltungen mit Ankündigungen auf künstlerisch gestalteten Plakaten lud auch das interessierte Publikum zur Information und Teilnahme an den Aktivitäten der Schule ein. Der letzte Höhepunkt solcher Veranstaltungen war der große Sommerball der Königsberger Studentenschaft im Gesellschaftshaus des Königsberger Tiergartens, für den vorher in tagelanger Arbeit Kunststudenten die Räume aufwendig dekoriert und geschmückt hatten. Kurze Zeit später begann der 2. Weltkrieg, aus dem viele der jungen fröhlichen Studenten und Teilnehmer an diesem letzten Ball nicht mehr heimkehrten.

Der beginnende 2. Weltkrieg im Jahre 1939 veränderte bereits 1941 die äußere Anlage des Schulgebäudes. Die damaligen Behörden entfernten den eisernen Obelisken, der zu Ehren des Staatsministers Theodor von Schön auf dem Platz vor dem Schulhaus errichtet worden war sowie die schmiedeeiserne Einzäunung zur Königstraße.

In der Nacht vom 29. zum 30. August 1944 wurde durch den Fliegerangriff der Alliierten die ehrwürdige Kunstschule vollkommen zerstört. Mit dem Schulgebäude verbrannten auch die zahlreichen künstlerischen Arbeiten ehemaliger Schüler, welche die Schule als hervorragend bewertete Dokumentation ihrer Studienzeit einbehalten hatte.

Für dieses Kunstinstitut galt stets das Wort "Kunst kommt von Können", und die Geschichte der Kunstgewerkschule beweist, daß Kunst und Kunsthandwerk zusammengehören und einander nicht Widersprechen, da sie aus einer Wurzel stammen. Das Verdienst dieser Schule lag in der hohen Auffassung, daß auch ein Gebrauchsgegenstand als gestalterische Aufgabe zu empfinden sei wie es von jeher auch die ländliche Volkskunst bewiesen hatte.

Der letzte Leiter des Kunstinstituts in der Königstraße Oberbaurat und Oberstudiendirektor Martin Stallmann nannte die Kunstgewerkschule und die Kunstakademie in Königsberg/Pr. Träger ostpreußischen Kunst- und Kulturlebens, die große Verdienste um das Volkstum Ostpreußens hatten und auch in Zukunft nicht vergessen werden sollten.

Zusammenfassender Bericht: Erika Durban-Hofmann [1922-2005]

Studium von 1939-1942 an der Kunst- und Gewerkschule bei Professor Ernst Grün, von 1942-1944 an der Kunstakademie bei Professor Eduard Bischoff und Norbert Dolezich in Königsberg/Pr.
Quellen:

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