Die bildende Kunst und ihre Schulen in Königsberg/Pr. 1790-1945
Teil II: Die Kunstakademie
A Historical Overview by Erika Durban-Hofmann

Im Jahre 1817 trennte Hardenberg die preußische Kultusverwaltung vom Innenministerium um gab ihr einen eigenen Minister. Dieses Amt übernahm erstmalig Karl Freiherr von Altenstein. Hardenberg hatte zwar die Wichtigkeit des Erziehungs- und Schulwesens erkannt, aber die Abtrennung der Kultusverwaltung vom Innenministerium hatte auch zur Folge, daß sich der reine absolute Teil der Künste von der handwerklich - technischen Kunst löste, die nun dem Ressort des Handelsministerium unterstellt wurde. Obwohl an bedeutende Künstler wie Schadow, Schinkel und Rauch sich als Sachverständige 1822 für das Weiterbestehen der Einheit der Kunsthandwerschulen und der Kunstakademien mit ihrem Einfluß auf die gewerblichen Kunstschulen einsetzten, gab es keine Gemeinsamkeit mehr. Die rasch fortschreitende technische Entwicklung förderte noch die Unabhängigkeit der freien hohen Kunst und ihre Eigenentwicklung, die vor allem in der mehr oder weniger rasch fortschreitenden Abkehr vom romantischen Realismus bestand. Die wertende Trennung zwischen der hohen Kunst uns dem Kunstgewerbe blieb weiterhin bestehen.

Königsberg besaß noch keine Kunstakademie.

Am 14. Mai 1841, kurz vor Fertigstellung des neuen, ursprünglich für die Provinzial- Kunst- und Zeichenschule bestimmten Hauses in der Königstraße in Königsberg, machte der Oberpräsident der Stadt Theodor von Schön in einem Schreiben an den Minister von Eichhorn den Vorschlag, in dem neuen Gebäude doch besser eine höhere Malschule - also eine Kunstakademie einzurichten. Im Oktober 1841 wandte sich Theodor von Schön mit diesem Vorschlag auch an den preußischen König.

Durch Kabinettsordre vom 3. Juli 1842 gab der König hierfür seine Genehmigung. Damit war der preußische König Friedrich Wilhelm IV. der eigentliche Begründer der Königsberger Kunstakademie.

Wenn auch die bereits bestehende Provinzial- Kunst- und Zeichenschule mit ihren kunstgewerblichen Aktivitäten in Königsberg nun ihre Stellung hinter der hohen Kunst der Akademie erhielt, muß man die Verdienste des Oberpräsidenten Theodor von Schön und insbesondere des Kunsthistorikers Professor Dr. August Hagen anerkennen, die sie sich um die beiden Kunstinstitute und generell um die Vervollständigung des Kunstlebens in dieser Stadt erworben hatten.

Zugleich mit der Genehmigung zur Gründung der Kunstakademie in Königsberg hatte der König für den Direktorposten den in Dresden ansässigen und an der Berliner und Düsseldorfer Akademie ausgebildeten Julius Hübner vorgeschlagen und verfügt, mit ihm diesbezüglich Verhandlungen zu führen; aber diese schlugen fehl wie ebenso die mit etlichen anderen Künstlern wie z.B. Adolph Menzel und dem Münchener Akademiedirektor Wilhelm von Kaulbach, an den besonders der Königsberger Kunsthistoriker Professor August Hagen gedacht hatte. Viel Zeit verging. Schließlich wurde Professor Hagen in einem Schreiben von Franz Kugler vom 2.1.1845 auf Ludwig Rosenfelder aufmerksam gemacht. Er schrieb zur Person Rosenfelders u.a.: ..."Er hat - und hierbei berufe ich mich auf das Urteil einiger Künstler wie z.B. das von Rauch, mit dem ich über ihn gesprochen - vollkommene innere Rüstigkeit und dasjenige Streben nach unbedingt künstlerischer Durchbildung, das sich mit einem oberflächlichen Abschalen poetischer Ideen auf keine Weise begnügt ... Er hat entschiedene Richtung ... offen, historisch, nationell und rationell ... und somit ganz das in der Kunst, was in Königsberg sich in Wissenschaft und Leben geltend zu machen sucht."

Die Kunstakademie Königsberg nahm als eine Filialgründung der preußischen Akademie der Künste in Berlin am 1. September 1845 ihren Lehrbetrieb auf, und ihr erster Direktor war Professor Ludwig Rosenfelder.

Carl Ludwig Rosenfelder wurde am 18. Juli 1813 in Breslau geboren und starb am 18. april 1881 in Königsberg. Von 1832 bis 1836 besuchte der begabte Schüler die Kunstakademie in Berlin und wurde von bedeutenden Lehrern u.a. Franz Kugler, Christian Rauch und Karl Begas gefördert. Erste Aufträge erhielt er aus Stettin und sogar von König Friedrich Wilhelm IV. In Danzig; wurde sein Gemälde, das die Befreiung des Danziger Reformators Pancratius Klemm darstellte, angekauft. Gottfried Schadow schrieb zum Thema dieses Bildes in "Kunstwerke und Kunstansichten": "Rosenfelder hatte den Moment dargestellt, wie die Bürger von Danzig, empört über die Gefangennehmung ihres geliebten evangelischen Predigers den bischöflichen Palast, in welchem derselbe gefangen saß, bestürmen wollen, und nun der Bischof, umgeben von seiner Geistlichkeit, heraustritt und den Reformator den Bürgern mit den Worten übergibt: 'Da habt ihr ihn!' Dieses Gemälde kann mit Recht zu denen gezählt werden, die sich selbst aussprechen. Es bringt eine überraschende Wirkung hervor." Dieses Werk brachte Rosenfelder als Anerkennung die Ernennung zum "Ordentlichen Mitglied der Kgl. Preußischen Akademie der Künste" in Berlin.

Im Jahr 1845 folgte der Historienmaler Ludwig Rosenfelder dem Ruf nach Königsberg und übernahm an der neugegründeten Kunstakademie das Direktorat. Während seiner 30-jährigen Amtszeit zog er viele bedeutende Lehrer an die nordöstlichste preußische Kunstakademie.

Eigene Werke Rosenfelders befanden sich in der Aula der Königsberger Universität, in der evangelischen Kirche in Rastenburg und im. Hochmeisterremter der Marienburg. Zwei seiner Werke befinden sich als Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg, das 1838 entstandene Gemälde "Rienzi im Gefängnis zu Avignon" und "Die Medizin oder Hippokrates am Krankenbett" als eine um 1863 entstandene Vorarbeit für das Wandbild in der Aula der Albertus-Universität. Während der Sommerferien des Jahres 1856 malte Rosenfelder im Hochmeisterremter der Marienburg als Fresken die Figuren der ersten Hoch- und Landmeister Walpot von Bassenheim und Hermann Balk.

Die Königsberger Kunstakademie erhielt als Anerkennung der Arbeiten ihres Direktors die Rechte, Lehrer für das Fach des Zeichenunterrichts an Gymnasien und Realschulen zu prüfen. Dies bedeutete die Gleichstellung mit der Berliner und der Düsseldorfer Kunstakademie. Der Lehrbetrieb an der Königsberger Kunstakademie begann mit drei Schülern, deren Zahl sich in der Folge auf sechzehn Schüler erweiterte. Frauen wurden offiziell erst ab 1890 zum Studium an der Kunstakademie zugelassen. Nach dem Bericht Rosenfelders an den damaligen Oberpräsidenten Dr. Boetticher beschränkte sich der Unterricht zu Anfang aus Mangel an Lehrmitteln auf das Kopieren einiger Vorlageblätter und Zeichnen nach Gipsabgüssen, die der Universität gehörten. Eine eigene Gipssammlung erhielt die Akademie schließlich nach einer Bestellung aus Berlin und Paris. aus der Gewährung eines Geldmittel-Fonds wurden weitere Unterrichtsmittel angeschafft wie Skelette, Gliederpuppen, Gewänder und landschaftliche Originale. Zu Begin des Jahres 1846 begann der Unterricht in Perspektive und Architektur. Der Maler August Behrendsen übernahm den Unterricht in der Landschaftsklasse und Dr. Müncheberg den in Anatomie. Mitte Juni begann auch das Zeichnen nach dem lebenden Modell im Aktsaal. Der Kunsthistoriker Professor Dr. August Hagen erteilte zweimal in der Woche Unterricht in Kunstgeschichte.

Nach Festsetzung des vollständigen Unterrichts durch Rescript vom 9. Juni 1849 wurde am 15. August der dafür gültige Schulplan erlassen. Darin hieß es einleitend: "Die Königliche Kunstakademie hieselbst hat den Zweck, zunächst nur als Malerschule diejenigen, welche sich der bildenden Kunst widmen, durch alle Stadien der Künstlerischen Bildung bis zur Selbständigkeit zu leiten." Diese Aussage deutet klar auf die Unterscheidung zur gewerblichen oder handwerklichen Kunstschule und deren nicht mehr Zugehörigkeit zur reinen hohen Kunst hin.

Ab 1852/53 gab es unter der Leitung des Akademiedirektors Rosenfelder zusätzlich zu acht Klassen des Vorbereitungsunterrichts eine Klasse für Komposition, die Klasse für Landschaftsmaler, eine Klasse für Genre- und Historienmaler, die Studien-Mahlklasse und eine Klasse für Kupferstecher. Nach einer zumeist einjährigen Vorbereitungszeit fand eine Prüfung statt, nach deren bestehen die Versetzungen in die jeweiligen Klassen erfolgten. Dieses Reglement blieb bis zum Ende des Bestehens der Königsberger Kunstakademie 1945 erhalten. Nach Beurteilen von eingereichten Arbeiten durch die Professorenkonferenz erfolgte die Zulassung an die Akademie für ein Probesemester. Erst eine danach bestandene mündliche Prüfung berechtigte zum weiteren Besuch der Kunstakademie als Vollstudierende.

Unter der Leitung Rosenbergers war die Bibliothek inzwischen auf tausend Bände angewachsen. Ab 1860 konnten die Räume des Hauses in der Königstraße voll genutzt werden, da das Gebäude weiter ausgebaut worden war. Ein neu gegründeter "Verein der Kunstfreunde zu Königsberg" machte es sich zur Aufgabe, die auszubildenden oder bereite selbständigen Künstler durch Ankäufe von Bildern zu unterstützen. Am 24. Juni 1874 nahm Ludwig Rosenfelder nach 29-jähriger Amtszeit als Direktor der Kunstakademie seinen Abschied und beantragte seine Pensionierung.

Max Schmidt, der nach Erkrankung und Rücktritt des Leiters der Landschaftsklasse dessen Klasse übernahm wurde 1874 stellvertretender Direktor der Akademie bis 1880 Carl Steffeck aus Berlin nach Königsberg berufen wurde um das Direktorat der Kunstakademie zu übernehmen.

In die Periode des amtierenden stellvertretenden Direktors Max Schmidt fiel auch das Studium des prominentesten Schülers der Königsberger Kunstakademie - Lovis Corinth.

Eduard Anderson bezeichnete die Periode mit Max Schmidt als stellvertretenden Direktor als eine Zeit des Stillstandes. Sie war gezeichnet von Querelen innerhalb des Lehrerkollegiums. Lovis Corinth äußerte Sich über diese Zeit ähnlich negativ.

Eduard Anderson studierte von 1893 - 1903 an der Kunstakademie in Königsberg. Er unternahm Studienreisen in die Niederlande, nach Nordafrika, in den Nahen Osten und nach Nordamerika. Als Landschaftsmaler, Radierer und Lithograph wählte er Motive aus Ostpreußen, insbesondere Königsberg und der Nehrung. Er war von 1897 - 1920 Betreuer der Kupferstichsammlung der Albertus - Universität und von 1910 - 1927 Leiter der Kunstsammlungen der Stadt Königsberg. Außerdem begründete Anderson die Gemäldegalerie im Königsberger Schloß und wurde 1927 Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums im Kneiphöfischen Rathaus.

Ein weiterer bedeutender Schüler war der in Saalfeld 1835 geborene Otto Brausewetter, der an der Königsberger Kunstakademie, in Frankfurt a.M. und in München studierte, 1882 Lehrer an der Berliner Kunstakademie wurde und 1888 den Professoren - Titel erhielt. Sein berühmtestes Werk war das Gemälde "General von Yorks Ansprache an die Ostpreußischen Stände am 5.2. 1813", das er für den Sitzungssaal des preußischen Provinziallandtages in Königsberg malte. Dieses Gemälde hing bis 1945 im Sitzungssaal des Landeshauses in der Königstraße in Königsberg. Ein Entwurf zu diesem Werk befindet sich in der Nationalgalerie Berlin.

Der 1880 an die Kunstakademie in Königsberg berufene Carl Steffeck wurde am 4. April 1818 in Berlin geboren. Er war der Sohn des Gutsbesitzers Dr. phil. Carl Steffeck, der seinerseits künstlerisch begabt war. Schon als Gymnasiast durfte der Sohn Carl an den Lehrgängen der Berliner Kunstakademie teilnehmen. Es folgten reguläres Akademiestudium und Studienreisen 1839 nach Paris und 1840 bis 1842 nach Rom. An der Berliner Kunstakademie erhielt er 1859 eine Professur und die Ernennung zum Mitglied der Königsberger und Wiener Kunstakademie. Seine Amtszeit als Direktor der Königsberger Kunstakademie dauerte bis zu seinem plötzlichen Tod um 11.7.1890 zehn Jahre.

In Berlin war kein Geringerer als Max Liebermann sein Schüler, der einmal selbst Weltruhm erlangte.

Den Lehrberuf an der Königsberger Kunstakademie nahm Professor Carl Steffeck mit aller Konsequenz äußerst ernst. Wegen der Querelen, die es damals infolge der Meinungsverschiedenheit und oft harten Gegensätze die Kunstentwicklung betreffend innerhalb des Lehrerkollegiums gab, konnte auch Professor Carl Steffeck in seiner freiheitlichen Gesinnung Verstimmungen nicht vermeiden. Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen ihm und dem in Sakuten bei Memel geborenen Professor für Perspektive Johannes Heydeck. Was für Heydeck das A und O der Lehre war, galt für Steffeck als "Mal - Trick", denn für ihn war Beobachtung alles und nichts die Konstruktion. Sie war allenfalls Hilfsmittel. Max Liebermann schilderte Carl Steffeck als "einen ganzen Menschen und echten Künstler, dem Routine und Chik ein Greuel waren". Was die sonstige mitunter im Argen liegende Bildung der Kunststudierenden betraf, äußerte sich Steffeck in einem Schreiben an den damaligen Oberpräsidenten Dr. von Schlieckmann u.a.: "Nach den von mir gemachten Erfahrungen kann es an der hiesigen Akademie nur Aufgabe sein, dahin zu wirken, daß die Schüler der beiden untersten Klassen in geschichtlichen und kunstgeschichtlichen Vorlesungen für höheres Streben in der Kunst vorbereitet und interessiert werden... Hat dieser nach meiner Ansicht geartete Unterricht und der persönliche Verkehr mit technischen Lehrern Phantasie, künstlerischen Ehrgeiz und höheres Streben erweckt, so überlasse man jedem Einzelnen seine künstlerische Fortbildung zu suchen."

Im Jahre 1880 starb der Königsberger Kunsthistoriker Professor Dr. August Hagen. Für ihn lehrte zunächst der Historiker Robert Müller Kultur- und Kunstgeschichte. 1883 übernahm der Nachfolger von Professor Hagen an der Albertus - Universität Professor Dr. Georg Dehio die Vorlesungen in Kunstgeschichte an der Akademie und machte den Vorschlag, den Unterricht zu unterteilen in den für Anfängerklassen und den für die Fortgeschrittenen, denen eine freiwillige Teilnahme an den Vorlesungen in der Universität empfohlen wurde. Damit erklärte sich Professor Carl Steffeck voll einverstanden.

Als im März 1886 der Lehrer für Anatomie Professor Dr. Bennecke starb, übernahm sein Nachfolger Universitätsprofessor Dr. Zander den Unterricht für Anatomie an der Kunstakademie.

1886 kam es erneut zu Auseinandersetzungen zwischen Professor Steffeck und Professor Heydeck. Für Steffeck waren der Unterricht in Perspektive und Anatomie nur Hilfswissenschaften - also Hilfsmittel und bloße Konstruktionen, die aber nicht eine stetig geschulte Beobachtung ersetzen konnten, die wiederum für ihn das Wichtigste war. Dies bewiesen seine ganz frisch und frei gemalten Landschaften und Tierstudien wie es z.B. die "Landschaft mit Olivenbäumen" im Besitz der Nationalgalerie Preußischer Kulturbesitz beweist. Noch hatten die großformatigen Historienbilder ihre bevorzugte Stellung, und Carl Steffeck malte sie auch selbst wie das Wand-Gemalde "Einzug Siegfrieds von Feuchtwangen in die Marienburg" für die Aula des Wilhelms-Gymnasium in Königsberg. Hier befand sich auch das bekannte Gemälde Steffecks "Königin Luise mit ihren beiden ältesten, Söhnen". Auch das Wilhelms-Gymnasium in Königsberg wurde mit seinen bedeutenden Kunstschätzen im Bombenhagel des zweiten Weltkrieges zerstört.

Obwohl Carl Steffeck seinen Aufgaben als Direktor und Lehrer der Akademie mit gebotenem Ernst und in Pflichttreue nachkam, vernachlässigte er nicht das eigene Kunstschaffen. Er wurde als hervorragender Pferderadler in ganz Deutschland bekannt. Carl Steffeck war selbst ein begeisteter Reiter und Pferdefreund. Einst befanden sich im Schloß des Landstallmeisters in Trakehnen 20 Pferdeporträts von Carl Steffeck. Nach dem Urteil von Fachleuten waren Steffecks Pferdebilder eigenständige Kunstwerke und wahrheitsgetreue Zeitdokumente. Es hieß, daß sich Steffeck jedes Pferd vor seinem Atelier im Garten vorreiten ließ bevor er es malte. Dies sprach für die Gabe und Schulung der genauen Beobachtung, die er so eingehend seinen Schülern ans Herz legte. Die Art seines Kunstschaffens sprach für seine Liebe zur Natur, zum Tier, zur Kreatur. Voller Zauber waren auch seine Porträts, von denen man sagte, daß sie sich durch eine seltene Leuchtkraft, einen wunderbaren Schmelz der warmen Farben und eine plastische Wirkung innerhalb des fast greifbaren Eindrucks auszeichneten. Ein großer Teil der Werke Carl Steffecks wurden das Opfer von Krieg und Vertreibung.

Während der Zeit des Direktorats von Professor Carl Steffeck studierten einige Schüler an der Königsberger Kunstakademie, die später auch bekannt wurden wie Ernst Bischof-Culm und Heinrich Krüger als Entdecker der Nehrungslandschaft. Zu dieser Zeit studierten 62 Schüler an der Königsberger Kunstakademie. Eine Sensation bedeutete in der Ära Steffecks erstmalig die Namensnennung einer Frau in der Konferenzakte vom 7.6.1890, Klara Witullski geb. Krämer, der nach der Prüfung in Perspektive das Prädikat 1 erteilt wurde. Einen Monat später erhielten am 24.7.1890 weitere fünf Frauen das Prädikat 1 als Zeichenlehrerinnen. Professor Carl Steffeck erlebte diese Prüfungen nicht mehr. Er starb auf dem Wege zum Ostseebad Cranz.

Im Jahre 1881, ein Jahr nach Steffecks Berufung als Direktor an die Kunstakademie in Königsberg, folgte auch Johann Friedrich Reusch einem Ruf nach Königsberg, um in der Kunstakademie die erste Bildhauerklasse einzurichten.

Johann Friedrich Reusch wurde als Sohn eines Bildschnitzers am 5.9.1843 in Siegen/Westfalen geboren, studierte ab 1863 an der Berliner Kunstakademie und kam 1866 in das Bildhauer-Atelier von Albert Wolff. 1872 erhielt er den Michael-Beer-Preis und 1874 ein Italien-Stipendium. 1883 wurde er in Königsberg zum Professor ernannt und von der Albertus-Universität zum Dr. h.c.. Er schuf in dieser Stadt bekannte und beliebte Werke. Diese waren vor allem "der deutsche Michel" am Wrangelturm, die Bildnisbüste von Bessel im Garten der Sternwarte und die Denkmäler von Kaiser Wilhelm 1 und von Bismarck auf dem Kaiser-Wilhelm-Platz. Es entstanden von seiner Hand noch viele andere Statuen und Bildnisbüsten. Auch für seine Vaterstadt Siegen und für Berlin schuf er Plastiken. Als er 1902 erkrankte, ging er nach Sizilien wo er sich vergeblich Erholung erhoffte. Er starb am 15.10.1906 in Agrigent. In Königsberg hatte er größte und bleibende Anerkennung gefunden.

Professor Max Schmidt übernahm nach Steffecks plötzlichem Tod zum zweitenmal vertretungsweise das Direktorat der Königsberger Kunstakademie. 1892 wechselte der Kunsthistoriker Professor Dr. Georg Dehio von der Königsberger Albertus-Universität auf den Lehrstuhl in Straßburg. An seine Stelle traten in der Folge einige andere Lehrer für die wissenschaftlichen Fächer bis 1895 Professor Dr. Berthold Haendke das Lehramt für Kunst- und Kulturgeschichte und im gleichen Jahr Professor Dr. Roßbach die archäologischen Vorlesungen an der Königsberger Kunstakademie übernahm.

In die Zeit der Vertretungsperiode von Professor Schmidt fiel die Feier des 50-jährigen Bestehens der Kunstakademie, die am 15.10.1895 vormittags in einem Festakt im Landeshaus und abends zusammen mit der Königsberger Künstlerschaft und geladenen Gästen in der Deutschen Ressource in geselligem Beisammensein stattfand.

Der Oberpräsident setzte sich 1898 für die offizielle Ernennung des 80-jährigen Max Schmidt zum Direktor der Kunstakademie ein, aber für das Ministerium war es bei aller Achtung vor den Verdiensten und künstlerischen Leistungen von Max Schmidt an der Zeit, dieses Amt mit einer jüngeren Kraft zu besetzen. Man erkannte, daß für die kunststudierende Jugend eine andere Lehrergeneration notwendig wurde.

Mit der Berufung von Ludwig Dettmann am 9.4.1901 kam ein frischer Zug in die Betriebsamkeit der Königsberger Kunstakademie. Ludwig Dettmann wurde am 25.7.1865 in Adelbye/Flensburg geboren. Er studierte von 1884-1889 an der Berliner Kunstakademie nachdem er zunächst in Hamburg die Kunst- und Gewerbeschule besucht hatte. 1895 wurde Dettmann Professor an der Berliner Akademie. Für seine Leistungen erhielt er die Große Goldene Medaille Dresden, die Große Goldene Medaille Wien sowie den Grand Prix Venedig. Zu Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit war sein Schaffen - er malte Aquarelle und Ölbilder - von Adolph Menzel, Max Liebermann und den französischen Impressionisten beeinflußt. Seine späteren Werke der Wandmalerei hatten mehr dekorativen Charakter.

Nach seiner Berufung an die Königsberger Kunstakademie begann Ludwig Dettmann sofort mit Reformen. Die Kunst stand für ihn an erster Stelle und nicht das Dienstalter. Darum setzte er sich über die Dienstrangliste hinweg und veranlaßte neue Berufungen geeigneter jüngerer Lehrer - so die des Graphikers Heinrich Wolff aus München am 1.4.1902. Wolff hatte verschiedene technische Versuche in der Graphik unternommen und sich selbst noch im Jahr seines Lehrantritts in der Reichsdruckerei über alle Druckmöglichkeiten besonders über die Technik der Farblithographie informiert. Im gleichen Jahr wurde Otto Reichert leitender Lehrer der Gipszeichen- und Naturzeichenklasse. Unter seiner Leitung fanden die Studierenden zur Ausdruckskunst in der realistischen Szenen- und Menschendarstellung, einer Kunst, die aus dem Erleben und aus der Seele kommen muß um überzeugen zu können. Dettmann beantragte des weiteren zwei Ausbildungsstellen für Zeichenlehrer- und Lehrerinnen. Für die genehmigte neu zu eröffnende Zeichenlehrerabteilung wurden die Maler Karl Storch aus Berlin und Hermann Wirth vom Pädagogium und Lehrerseminar der Brüder-Unität zu Niesky als Lehrer eingestellt.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ließen sich sowohl bei Lehrern wie auch bei Schülern die verschiedenen Stilströmungen erkennen. Neben der konservativen Richtung gab es die expressionistische mit einer Gruppe von Malern wie Ernst Mollenhauer, Arthur Degner und Karl Eulenstein. Die neue Sachlichkeit vertraten u.a. Fritz Burmann und zeitweise Karl Storch. Professor Ludwig Dettmann hatte der Berliner Sezession angehört, einer Künstlervereinigung, zu deren Mitgliedern auch Lovis Corinth zählte und an deren Ausstellungen sich Käthe Kollwitz beteiligte. Die reine Ateliermalerei wurde nach dem Vorbild der französischen Impressionisten durch die Licht- und Luftmalerei in der freien Natur ergänzt, und schon unter der Ara des stellvertretenden Direktors Max Schmidt strömten die Maler hinaus zu Studien vor der Landschaft.

Am 1.12.1907 wurde der Bildhauer Stanislaus Cauer in das Kollegium der Akademie berufen. Als Professor Johannes Heydeck seine Lehrtätigkeit aufgab trat an seine Stelle Richard Pfeiffer, der schon sehr bald den maltechnischen Unterricht einführte mit der Begründung, daß ein akademisch gebildeter Künstler auch das maltechnische Handwerk beherrschen muß. Die Schüler sollten u.a. Malgründe, Malmittel, Farben und ihre Verwendungsmöglichkeiten kennen lernen und fähig sein, diese nach Art der alten Meister auch selbst herzustellen. Eine herausragende Künstlerpersönlichkeit war Heinrich Wolff, der als lehrender Professor an der Königsberger Kunstakademie die Kupferstichklasse und mitbetreuend die Elementarklasse übernahm. Er wurde am 18.5.1875 in Nimptsch/Schlesien als Sohn eines Apothekers geboren. In Breslau studierte er an der Kunstschule und in München an der Kunstakademie. Hier gründete er zusammen mit Ernst Neumann eine Privatschule. In Anerkennung seines Schaffens wurde er 1899 mit der Goldenen Medaille Dresden und 1901 mit der Goldenen Medaille München ausgezeichnet.

Als gebürtiger Schlesier wurde er ein echter Wahlostpreuße, der dieses Land und seine Menschen liebte und über 30 Jahre in Königsberg wirkte. Er verstand es, den Studierenden das Interesse und die Freude an der Graphik zu vermitteln, war er doch ein Meister der schwarzen Kunst und vor allem der Algraphie - ein der Lithographie verwandtes Verfahren, das statt auf einem Kalkstein auf einer Aluminiumplatte ausgeführt wird. Stets trug Heinrich Wolff solche Platten bei sich. Erst in Königsberg gelangte seine Kunst zu voller Entfaltung. In seinem Schaffen nahm die Porträtkunst einen breiten Raum ein, die Agnes Miegel zutreffend charakterisierte: "Sein Werk hat nicht nur die geistige Oberschicht dieser Ostprovinz festgehalten in ihren bedeutenden Vertretern und allen, die als Gäste in ihr lebten - sein Werk hat damit das Bild der letzten festgefügten Gesellschaft gezeichnet, die es hier noch gab. Da sind die hohen Beamten, selbst in nicht mehr altpreußischer Richtung doch ganz den Typ verkörpernd, die das Geschick ihres Landes durch Generationen trug; da sind die Großgrundbesitzer und Großkaufleute, da sind die schönen Frauen mit nordisch klaren, sicher und ruhig blickenden Gesichtern, da sind die Künstler und Literaturfreunde von Jernbergs Wikingergestalt bis zu Walter Harichs Ostgesicht, in dem man einen Musiker zu sehen glaubt ..." In Heinrich Wolffs Lebenswerk sind vor allem aber auch Bildnisse berühmter Ärzte zu finden, für die er die Ehrendoktorwürde der Medizin der Königsberger Albertus-Universität erhielt.

Auf seinen Aluminiumplatten zeichnete er mit sicherem Strich Landschaften von zauberhaftem Reiz, die Weite Ostpreußens mit unendlichen Horizonten, das Haff, die Kurische Nehrung, Fischerboote, Dörfer, Feldwege, Straßen sowie Stadtmotive Königsbergs und anderer Städte. In impressionistischer Manier fing er die Atmosphäre und das unvergleichliche Licht Ostpreußens ein.

Zu all seiner Arbeit widmete er sich auch dem kulturellen Leben Königsbergs. Er gründete nach dem ersten Weltkrieg den Stammtisch im Hammerkrug in unmittelbarer Nähe des idyllischen Hammerteichs und der Kunstakademie. Dieser Stammtisch strahlte in besonderer Weise schöpferisch auf das geistig-kulturelle Leben Königsbergs aus. Im Berliner Schloß war er 1927 einer der wichtigsten Initiatoren der Ausstellung "Ostpreußenkunst", in der in Ostpreußen wirkende Künstler ihre Arbeiten zeigten und auf das Kunstschaffen der östlichsten Provinz Deutschlands hinwiesen. Einer der Meisterschüler und spätere Assistent Heinrich Wolffs war der in Livland geborene Ernst Grün, der später Professor und Leiter der Klasse für Druckgewerbe und Gebrauchsgraphik an der Kunstgewerkschule in Königsberg wurde. Während des zweiten Weltkrieges starb Professor Heinrich Wolff 1940 in München.

1902 wurde der Maler Karl Storch d.A. von Professor Ludwig Dettmann aus Berlin nach Königsberg berufen, um an der Kunstakademie die Zeichenlehrerabteilung zu leiten. Karl Storch, geboren am 28.1.1864 in Bad Segeberg/Holstein, studierte ab 1883 an der Berliner Kunstakademie und war danach als Illustrator an der Kunstschule von Konrad Peter tätig. In Königsberg gehörte Karl Storch zu den Künstlern, die, obwohl sie aus dem Westen Deutschlands stammten, in Ostpreußen einen großen Teil ihres Lebens verbrachten und durch ihre Kunst und Lehrtätigkeit zahlreiche Schüler prägten. Professor Karl Storch wirkte bis zu seiner Pensionierung 1929 als Lehrer erfolgreich an der Königsberger Kunstakademie. Anläßlich seinen 80. Geburtstages berichtete Erika Kupfer in einer Königsberger Zeitung: "Es war eine harte und strenge Schule, durch die er seine Schüler gehen ließ, aber sie war niemals ohne wärmste menschliche Anteilnahme. So versuchte Professor Storch immer wirkliche Persönlichkeiten zu formen, und die Musik war ihm dabei die rechte Helferin. Vielfach wurde im Atelier musiziert und der Kreis der Schüler eingeschlossen in die Gemeinsamkeit des Erlebens. Viele Kammermusikbilder belegen diese schöne Neigung des Meisters..."

Mit seinen Schülern zog Professor Karl Storch in die freie Natur hinaus um zu malen. Auch der härteste Winter hinderte den wettergewöhnten Holsteiner nicht seine Bilder draußen zu malen. Es entstanden zu jeder Jahreszeit eindrucksvolle künstlerische Bilder mit Hafen- und Strandmotiven, Bilder von Park- und Heidelandschaften, der Samland-Steilküste und den Dünen der, Nehrung. Ein Kritiker schrieb: "Überall schwingt ein Stück eigenen Erlebens und starke Empfindsamkeit mit", und Erika Kupfer sah der künstlerischen Wert seiner Arbeiten in dem unverfälschten Atem der Natur liegen, der in ihrer ausgewogenen Tonigkeit schwingt, diese Harmonie, die man gar nicht mehr als mit Ölfarben gemalt empfindet sondern als eine mit feinster Subtilität ins Künstlerische übersetzte Erlebniswirklichkeit.

Karl Storch wurde 1901 mit der Goldnen Medaille auf der Internationalen Kunstausstellung in München und zu seinem 80. Geburtstag mit der Goethe-Medaille geehrt. Zu seinem 90. Geburtstag erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Professor Karl Storch starb am 11.2.1954 in Bad Segeberg.

Die Stadt Königsberg, das Oberpräsidium und Professor Dettmann planten 1908 einen Neubau der Kunstakademie. Der Oberbürgermeister Dr. Körte riet Dettmann, den in Berlin wirkenden Regierungsbaumeister Friedrich Lahrs als Lehrer für Architektur, Flächenkunst und Raumlehre an die Königsberger Kunstakademie zu berufen. Professor Dettman reiste nach Berlin und sprach mit Lahrs auch über den geplanten Neubau einer Akademie in schönem grünen Gelände vor der Stadt und zeigte ihm auf dem Stadtplan den Bestimmungsort. Mit Erstaunen bemerkte Dettmann, daß Lahrs über diese Gegend vollkommene Kenntnis besaß und die Straße nach Juditten, also den Hammerweg und den nahe gelegenen Douglas-Park nannte. Dettmann erfuhr, daß Friedrich Lahrs aus Königsberg stammte, daß seine Eltern dort wohnten und daß er in seiner Vaterstadt das Löbenichtsche Realgymnasium besucht hatte. Friedrich Lahrs wurde am 11.7.1880 in Königsberg geboren und studierte nach seinem Abitur ab 1898 an der Technischen Hochschule in Berlin/Charlottenburg Hochbau. 1906 wurde er für seine Arbeit mit dem Schinkelpreis ausgezeichnet. Friedrich Lahrs kehrte nach Königsberg zurück, erhielt den neu geschaffenen Lehrstuhl für Architektur und wurde 1911 zum Professor ernannt. Zuvor waren Dettmann und Lahrs im November 1908 nach Kassel zur Besichtigung und Einweihung der dortigen neuen Kunstakademie gereist.

Der Neubau der Kunstakademie in Königsberg/Ratslinden in der Nähe des Hammerteichs wurde nach den Plänen von Friedrich Lahrs erst während des ersten Weltkrieges errichtet. 1913 erbaute er die Kunsthalle am Wrangelturm mit ihrem klassizistisch- massigen Portikus. 1923/24 schuf er das Kant-Mausoleum am Dom mit den Pfeilern aus rotem Porphyr. Die Stadt Königsberg hatte das Kant-Grabmal ausgeschrieben und sich für den Entwurf von Lahrs entschieden. Die hochstrebenden geraden Säulen sollten den hohen genialen Gedankenflug des Königsberger Philosophen versinnbildlichen und der Name "Immanuel Kant" als einzigen Schriftzug die einmalige Größe des Gelehrten.

Alle drei Bauwerke, die Kunstakademie, die Kunsthalle und das Grabmal Kants am Dom sind trotz des radikalen Vernichtungsbombardements der Alliierten im August 1944 und der letzten Zerstörung durch Bomben und Granaten der eingeschlossenen Stadt durch die Sowjets bis April 1945 wie durch ein Wunder erhalten geblieben.

Professor Friedrich Lahrs war auch Archäologe. Bei Ausgrabungen im Schloßhof 1926 konnte er die Lage des einstigen Hochschlosses sowie die westlichen Grundmauern rekonstruieren. In seinem 1956 erschienenen Buch "Das Königsberger Schloß" hatte er in Bildern, architektonischen Zeichnungen und Grundrissen das historische Baudenkmal so festgehalten, daß das von den Sowjets niedergerissene und gesprengte alterwürdige Ordensschloß nach diesen genauen Plänen wieder in gleicher Form aufgebaut werden könnte.

Außer der Restaurierung von Kirchen in und um Königsberg und der Schaffung von Totengedenkstätten betätigte sich Professor Lahrs auch als begabter Zeichner und Aquarellist. Er schuf Kinderporträts von großer Zartheit. Bis 1934 war Lahrs als Lehrer an der Königsberger Kunstakademie tätig. Danach wirkte er als freier Architekt in seiner Vaterstadt, die er erst am 29. Januar 1945 verließ. Nach dem Bericht seiner Frau trug er bis zu seinem Unfalltod im Jahre 1964 stets den Haustürschlüssel seiner Königsberger Wohnung in der Hosentasche. Der Bildhauer Hermann Brachert schrieb über seinen Freund Friedrich Lahrs: "Er war kein moderner, aber er hatte ein feines Gespür für sachlich schöne Form."

Als 1914 der erste Weltkrieg ausbrach blieb dies nicht ohne folgen für die Kunstakademie. Die Professoren Otto Heichert und einen Monat später Ludwig Dettmann wurden für die Dauer des Krieges beurlaubt, um als Kriegsmaler auf den östlichen Kriegsschauplätzen tätig zu sein. Ludwig Dettmann wurde von Eduard Bischoff begleitet, der später Professor an der Königsberger Kunstakademie wurde und bis zum Ende des zweiten Weltkrieges 1945 die Klasse für figürliche Malerei leitete. Der Ullstein-Verlag veröffentlichte in einer großen Mappe Dettmanns farbige Kriegsbilder.

Das Professorenkollegium blieb während des ersten Weltkrieges bis auf die beiden beurlaubten Professoren Heichert und Dettmann weiter an der Akademie tätig, aber viele Schüler leisteten Kriegsdienst, und die Zeichenlehrerabteilung war nur noch mit Studentinnen besetzt. Professor Dettmann hatte die Absicht gehabt, 1916 die neu erbaute Kunstakademie in Ratslinden/Königsberg einzuweihen, aber die Bauarbeiten zogen sich kriegsbedingt bis 1919 hin. Am 1.4.1916 nahm Professor Ludwig Dettmann seinen Abschied. Viel hatte ihm die bildende Kunst in Ostpreußen zu verdanken, und an seine Schüler hatte er wertvolle Berufserfahrung und technisches Wissen weitergegeben.

Das Direktorat der Akademie übernahm nach Dettmann am 1.10.1916 Alfred Graf von Brühl, den der Bildhauer Professor Cauer "einen feinen Jagdmaler und sehr vornehmen Mann" nannte. An der Akademie wurde es stiller. Im Gegensatz zu Professor Dettmann, der den Lehrbetrieb immer sehr lebendig gestaltet hatte, entwickelte der mehr zu stiller Beschaulichkeit neigende Graf Brühl an der Akademie nur geringe Initiativen schöpferischen und organisatorischen Wirkens.

Nach dem Kriege sorgte ein neu gegründeter Soldatenrat, der alle Rechte für sich beanspruchte, in anmaßender Weise für Unruhe im Akademiebetrieb. Er bestimmte u.a., daß die Ateliers von den Studierenden auch als Schlafräume benutzt werden sollten. 1919 erklärte Graf Brühl seinen Rücktritt, da er sich nicht mehr unter diesen Umständen in der Lage sah sein Amt als Direktor weiterzuführen. Schließlich wurde nach einigen Versuchen den Direktorposten provisorisch zu besetzen, der Bildhauer Stanislaus Cauer vom Oberpräsidenten zum geschäftsführenden Direktor berufen.

Stanislaus Cauer wurde am 18.10.1867 in Kreuzbach geboren. Er stammte aus einer Familie, die elf Bildhauer hervorgebracht hatte. Ab 1882 war sein Vater, der in Rom lebende Bildhauer Robert Cauer, sein Lehrer. Nach Aufenthalt und Tätigkeit in Berlin erfolgte 1907 seine Berufung als Leiter der Bildhauerklasse an der Königsberger Kunstakademie, an der er 34 Jahre lang wirkte. Sein umfangreiches Lebenswerk bestand in Statuen und Denkmälern, die er nicht nur für Ostpreußen schuf, die sich auch in Städten des Reichs wie Kassel und Dresden befanden. In Königsberg schuf er für die Schloßteichkaskaden die vom Wasser umspülte und von den Königsbergern geliebte Kinderfigur in Bronze. Viele seiner Arbeiten wurden durch den Krieg zerstört, aber das von ihm geschaffene Schiller-Denkmal gegenüber dem Königsberger Schauspielhaus blieb erhalten, und der Name des Dichters befindet sich gegenwärtig auch in kyrillischen Buchstaben am Denkmal. Professor Stanislaus Cauer starb am 3.3.1943 in Königsberg.

In den folgenden Jahren nach dem ersten Weltkrieg wechselten an der Kunstakademie ständig Professoren und Direktoren. Diese Jahre blieben eine Zeit der Unruhe. Eine Reform de Lehrbetriebs, den sowohl die Studierenden wie auch einige Professoren forderten, verhinderten die älteren langjährig amtierenden Professoren. Karl Eulenstein, der zur Gruppe der Niddener expressionistischen Maler gehörte, forderte den Rücktritt der Professoren Heinrich Wolff, Stanislaus Cauer, Karl Storch und einiger anderer Professoren. Offensichtlich wollte man an der Akademie der "Moderne" zum Durchbruch verhelfen. Uneinigkeit und muhe währten so lange, bis das Ministerium den Oberregierungsrat Dr. Hermann Nollau beauftragte wieder Ordnung im Akademiebetrieb zu schaffen, was ihm auch als "Nichtkünstler" gelang.

Die revolutionäre Phase, in der sich. die Ansprüche der Moderne in der Kunst vorübergehend geltend machen wollten, hatte sich beruhigt. Da in den letzten Jahren ein ständiger Wechsel von Lehrern stattgefunden hatte - einige Professoren waren freiwillig von ihrem Amt zurückgetreten - ergänzte Oberregierungsrat Dr. Nollau 1925 die stark dezimerte Lehrerschaft durch Künstler, die zum Teil der Richtung einer neuen Sachlichkeit zustrebten. An die Stelle des 1925 ausgeschiedenen Professors Arthur Degner trat der aus Westfalen stammende und an der Düsseldorfer Kunstakademie ausgebildete Fritz Burmann als Vertreter der neuen Sachlichkeit, einer Stilrichtung, der er aber nur vorübergehend angehörte. 1929 übernahm Alfred Partikel die Landschaftsklasse, und Professor Franz Marten wurde als Lehrer für Gebrauchsgraphik an die Akademie berufen.

Auf der Kurischen Nehrung war Nidden der Sammelort einiger bildender Künstler. Der Maler Ernst Mollenhauer hatte nach der Übernahme des Gasthofes seines Schwiegervaters Hermann Blode dieses Haus zum fröhlichen Treffpunkt von Künstlern eingerichtet, in dem gefeiert und diskutiert wurde. Gegen Ende der zwanziger Jahre gab Mollenhauer durch ein Stipendium einem jeweils durch die Kunstakademie ausgewählten Studenten die Möglichkeit im Sommer in Nidden zu malen. Zu diesem Zwecke stellte er dem begünstigten Künstler in seinem Hause ein Atelier zur Verfügung.

In Kleinkuhren an der Samlandküste sammelte sich ein Kreis von Künstlern um den Ostpreußen Arthur Degner, der ein herausragender Vertreter der bildenden Kunst seiner Heimat war. Er wurde am 2.3.1888 in Gumbinnen geboren, verbrachte seine Jugend in Tilsit und begann sein Studium an der Königsberger Kunstakademie bei den Professoren Heicher und Dettmann. Im Jahre 1920 übernahm er dort selbst ein Lehramt als Vertreter einer moderneren Richtung. 1925 ging Professor Degner nach Berlin und lebte in dieser Stadt bis 1972. 1933 erhielt er Arbeits- und Ausstellungsverbot, und 1939 erfolgte sein Ausschluß aus der Reichskulturkammer. Während des zweiten Weltkrieges wurde er jedoch wieder als Kunsterzieher dienstverpflichtet und in Berlin an die wieder eröffnete Hochschule für bildende Kunst berufen wo er bis zu seiner Emeritierung 1956 tätig war. Er erhielt 1929 den Albrecht-Dürer-Preis, 1936 den Villa-Romana-Preis und 1969 den Kulturpreis der Landsmannschaft Ostpreußen. Degner lehnte es ab einer Moderichtung anzugehören, die gerade "in" war. Seine Werke neigten zum impressionistischen und expressionistischen Stil ohne dies aber im eigentlichen Sinne zu sein, vielmehr wies seine Malerei die Fähigkeit zu individualistischer auf das Wesentliche reduzierten Sicht hin, ein Abstrahieren in Form und Farbe mit vitalem Pinselstrich. Einen großen Teil seines künstlerischen Schaffens nahm die Graphik ein. In ihr finden sich Holzschnitte und Lithographien mit religiösen Themen und Darstellungen der Flüchtlingstragödie.

Am 1.4.1932 wurde die Königsberger Kunstakademie nach 87 Jahren ihres Bestehens aufgrund der preußischen Notverordnung uns aus Sparsamkeitsgründen geschlossen. Nur die Meisterateliers für Malerei, Bildgraphik und Gebrauchsgraphik bestanden noch für 3 Semester notdürftig weiter. Damit hatte die Ära einer künstlerischen Erziehungsarbeit ihr vorläufiges Ende gefunden, in der hervorragende Lehrer der Königsberger Kunstakademie ihren Schülern beachtliches Wissen und könne weitergereicht hatten.

Die politische Lage im Jahre 1933, brachte der Kunstakademie einen Neuanfang mit den Erwartungen, die einer Kunsthochschule im deutschen Osten in ihrer Bedeutung gerecht werden sollten. Mit der Aufgabe eine. Neuanfangs wurde als Direktor der Architekt Kurt Frick betraut, während der preußische Kultusminister Rust die arbeit der Akademie Wirtschaftlich mit der damals gebotenen Sparsamkeit möglich machte. Die Kunstakademie wurde in "Staatliche Meisterateliers der bildenden Künste" umbenannt - eine als unwesentlich empfundene Äußerlichkeit die mit dein innersten Wesen ihrer Arbeit nicht das Geringste zu tun hatte.

Professor Kurt Frick schrieb 1934 in den "Ostpreußischen Monatsheften u.a.: "Die Staatlichen Meisterateliers zu Königsberg/Pr. sind nach dem Willen des Ministers der Anfang eines Neuaufbaus, der als Kunsthochschule für das gesamte Preußen östlich der Weichsel die Aufgaben der alten Kunstakademie fortführen und erweitern soll. Gerade einer Kunsthochschule in Ostpreußen fällt eine große Bedeutung zu, da sie berufen ist, Mittel- und Ausgangspunkt allen Geschehens auf dem. Gebiet der bildenden Kunst im Kulturgebiet Ostpreußens zu sein... Sie ist nicht nur eine Angelegenheit Ostpreußens sondern des ganzen Reich. Sie soll Künder und Mittler eines starken und gesunden Willens zur deutschen Kunst sein, der gerade im deutschen Osten eine ursprungliche und natürliche Entwicklung nimmt... Sie soll den jungen Künstler aus dem Reich in den deutschen Osten führen um seine Kultur, seine Landschaft, seine Menschen und seinen Willen zum künstlerischen Gestalten kennen und verstehen zu lernen und so geistige Bande unter deutschen Menschen knüpft, die scheinbar getrennt leben..." (durch den nach dem ersten Weltkrieg geschaffenen polnischen Korridor).

Zur kommenden Reichsreform sollte organisch und sinngemäß die schon lange bestehende Kunstgewerkschule in Königsberg in den Aufbauplan der neuen Kunsthochschule einbezogen werden. Zu den bisherigen Aufgaben einer künstlerisch-handwerklichen Ausbildung in der Kunstgewerkschule sollte die Auswahl besonders begabter Schüler erfolgen und auf die Kunsthochschule vorbereitet werden.

Die Kunsthochschule in Königsberg erhielt sechs Meisterateliers. Baukunst lehrte Professor Kurt Frick. Das Atelier für figürliche Malerei und Wandmalerei übernahm Professor Fritz Burmann und ab 1936 Professor Eduard Bischoff. Landschaftsmalerei lehrte Professor Alfred Partikel. Das Atelier für Bildhauerei leitete der neu berufene Professor Hans Wissel. Bildgraphik unterrichtete Professor Heinrich Wolff und ab 1935 Professor Wilhelm Heise, und Gebrauchsgraphik lehrte Professor Franz Marten. Norbert Dolezich war als freier Zeichenlehrer tätig und wurde Dozent an der Kunstakademie. Professor Dr. Straube lehrte Kunstgeschichte. In seine Vorlesungen bezog er die Studierenden ein und ließ sie abwechselnd Referate zu selbstgewählten kunstgeschichtlichen Themen halten.

Dr. Bargmann hielt als Universitätsprofessor für Anatomie Sondervorlesungen für die Kunststudenten bis 1944 in der neuen Königsberger Anatomie, die zu damaliger Zeit die modernste in Deutschland war. Professor Eduard Bischoff saß stets im Hörsaal mitten unter seinen Schülern und stand mit ihnen im Präpariersaal wenn Professor Bargmann sezierend den Kunststudenten die Verläufe der Muskelstränge erläuterte. Mit seiner Teilnahme an diesen Vorlesungen demonstrierte Professor Bischoff seine Auffassung, daß Lernen und Entwicklung in der Kunst ein Leben lang dauern.

Eduard Bischoff wurde am 25.1.1890 in Königsberg geboren. Nach 4 Jahren Ausbildung im Lehrfach in Hohenstein und Pr. Eylau führten ihn während zweier Jahre Seereisen als Seemann in den Orient und an die Levanteküste. Von 1910 - 1914 studierte er an der Königsberger Kunstakademie bei den Professoren Dettmann, Wolff und Pfeiffer. Am ersten Weltkrieg nahm er an der Front von Anfang bis zum Ende teil und wurde mehrfach verwundet. Nach dem ersten Weltkrieg lebte er bis 1935 als freischaffender Maler in Königsberg und unternahm Studienreisen in fast alle Länder Europas. 1934 erhielt er den 1. Preis für die künstlerische Ausgestaltung des Auditorium Maximum der Handelshochschule in Königsberg. 1936 wurde er als Lehrer an die Kunstakademie seiner Heimatstadt berufen und erhielt den Professorentitel. Nach seiner Flucht mit dem Fahrrad über das zugefrorene Frische Haff in Januar 1945 war er zunächst in Mecklenburg und in der Lüneburger Heide künstlerisch tätig bis er 1948 nach Gelsenkirchen in die "Künstlersiedlung Halfmannshof" übersiedelte. Ab 1952 unternahm er Studienreisen nach Westafrika, Liberia und in den Kongo. Das Ergebnis dieser Reisen waren etwa 200 Aquarelle. Nach seiner Rückkehr schuf er Glasschliffenster, Mosaik- und Tonarbeiten, Wandmalereien, Teppich- und Kunstschmiedeentwürfe für Landes- und Bundesbehörden. Noch einmal unternahm er Studienreisen in die Schweiz, nach Holland, Norwegen, Italien und Griechenland. 1959 erhielt er den Kulturpreis der Landsmannschaft Ostpreußen. Seine Arbeiten wurden in in- und ausländischen Städten ausgestellt. 1970 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet. Seine letzte Arbeit war ein Zyklus großformatiger Holzschnitte mit Motiven aus Ostpreußen. Professor Eduard Bischoff starb am. 4.1.1974 in Soest. Vielfach hatte es ihn in die Ferne gezogen; aber seine Liebe galt immer seiner Heimat Ostpreußen, die er in zahlreichen Landschaftsbildern und Porträts seiner Menschen dargestellt hatte. Ostpreußen nannte er "eins der allerschönsten Länder", und dieser Heimat blieb er stets verbunden.

In den letzten Jahren des zweiten Weltkrieges leerten sich die Klassenateliers der Kunstakademie. Bis auf einige Schülerinnen und nur noch wenige Schüler leisteten die meisten Kunststudenten Kriegsdienst. Der Unterricht vollzog sich zunehmend reduziert. Das Aktzeichnen hörte aus Mangel an Modellen ganz auf, denn auch die Mädchen und Frauen waren größtenteils zu kriegswichtigen Arbeiten eingezogen worden.

Im Sommer 1944 unternahm Professor Bischoff mit seinen Schülern zum letztenmal eine Studienfahrt nach Pillkoppen auf die Kurische Nehrung. Noch einmal erlebten sie die ostpreußische Heimat in ihrer ganzen sommerlichen Pracht mit ihrem hohen Himmel und den weiten Horizonten, mit starkem wechselnden Licht und den besonders auf der Nehrung zu erlebenden wunderbaren pastellenen Farben. Zwar hörte man im Osten das unheimliche Donnergrollen des Krieges, aber die meisten der jungen Kunststudierenden konnten wohl noch nicht an die schreckliche Katastrophe glauben, die alle menschliche Vorstellung übertreffend doch schon ein halbes Jahr später über die Heimat kommen sollte. Die Fischer gingen ihrer Arbeit nach, und die bei ihnen wohnenden Kunststudenten und ihr Professor zogen mit Staffelei und Malblock hinaus, um noch einmal Meer, Haff, Dünen und Fischerdörfer im Bilde festzuhalten.

Es waren die Abschiedswochen auf der Kurischen Nehrung, der Abschied auch vom Studium an der Königsberger Kunstakademie. Im Herbst 1944 wurden auch die letzten Studentinnen zu kriegswichtigem Dienst eingezogen. Seit Anfang des Jahres 1945 blieb die Kunstakademie in Königsberg für immer geschlossen.

Der letzte Direktor der Königsberger Kunstakademie Professor Kurt Frick äußerte sich nach dem zweiten Weltkrieg zutreffend über die Kunsthochschule in Königsberg: "Die politische Vergangenheit hat gezeigt, wie die Kunst verödet, wenn sie unter politischen Einfluß oder gar Zwang gestellt wird. Wir haben uns in Königsberg dagegen mit Erfolg wehren können. Der Geist, der die vertrauten Räume in Ratslinden erfüllte, lebt in seinen Künstlern ungebrochen fort."

Der Kunsthochschule in Ostpreußen war eine besondere Bedeutung zugefallen. Sie war berufen, Mittel- und Ausgangspunkt kulturellen Geschehens auf dem Gebiete der bildenden Kunst in Ostpreußen zu sein.

Zusammenfassender Bericht: Erika Durban-Hofmann [1922-2005]

Studium von 1939-1942 an der Kunst- und Gewerkschule bei Professor Ernst Grün, von 1942-1944 an der Kunstakademie bei Professor Eduard Bischoff und Norbert Dolezich in Königsberg/Pr.
Quellen:

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